„Nach Corona werden wir eine andere Welt haben als die, die wir bislang kennen“. So oder so ähnlich formuliert sagen viele Politiker, Wirtschaftsbosse aus aller Welt voraus.
Eine Sache wird sich auf keinen Fall ändern. China bleibt eine wichtige Wirtschaftsmacht der Welt, wenn nicht noch wichtiger.
Deutsche Unternehmen des produzierenden Mittelstands sollen frühzeitig die Marktveränderungen durch die Corona-Krise verstehen, damit sie sich vor dem Wettbewerb auf die Zukunft strategisch umstellen können. Geschwindigkeit ist ein wichtiger Erfolgsfaktor im chinesischen Markt.
China Team hat einige Experten befragt, was sie dem deutschen Mittelstand empfehlen. Die Experten haben in ihrem jeweiligen Fachgebiet ein kurzes Statement abgegeben. Hier ist die erste Ausgabe der Expertenmeinungen.
Die Coronavirus-Krise in China verändert absolut die Meinungen und Ansätze vieler Manager. Eine davon ist die rasche Technologie- und Produktrealisierung. Das typische Beispiel ist die AI-Anwendung von Computertomographie(CT) in Corona-Notfallkliniken. Diese neue AI-Anwendung kann das CT-Bett automatisch in viele Richtungen bewegen, um die Patienten für ein optimales Scannen zu positionieren, wodurch ein persönlicher Kontakt zwischen CT-Ärzten und Patienten vermieden werden kann. Innerhalb weniger Tage wird die CT-Ausrüstung im Krankenhaus in Wuhan, China, angepasst, hergestellt und installiert. Die hohe Geschwindigkeit der Umsetzung dieser neuen Technologie basiert auf einer engen Zusammenarbeit zwischen Regierung und Hightech-Firmen sowie Experten. Die Use-Case wird in der Coronavirus-Krise in China bewiesen und immer mehr anerkannt.
In der produzierenden Industrie finden wir meistens zwei voneinander säuberlich getrennte IT-Landschaften: auf der einen Seite die kommerzielle IT, mit der die Geschäftsprozesse abgewickelt werden, und auf der anderen Seite die IT für die Automatisierungsprozesse in der Produktion, die – weil sie realzeitfähig sein muss – im Wesentlichen aus PLCs, Invertern, Servos und einer Feldbus-Kommunikationsarchitektur besteht.
Solange Standard-PCs für die Produktion zu teuer, zu aufwendig, und nicht schnell genug waren, war das eine gute Lösung. Außerdem war sehr viel Geld in diese beiden Technologien investiert – für ihre Entwicklung und ihren Einsatz. Gleiches gilt für das Kommunikationsnetz, für das die Integration von Geschäfts- und Produktionsprozessen kaum möglich war.
Mit dem Konzept „Industrie 4.0“ wurde der Ruf nach dieser Integration unüberhörbar – und die nötigen Technologien sind heute verfügbar mit allen Vorteilen einer einheitlichen IT-Struktur mit preiswerten Komponenten: wir können inzwischen viele PLCs durch Steuerprogramme in der Cloud ersetzen, und die nötigen Realzeitfähigkeiten der Kommunikationssysteme sind inzwischen auch über Ethernet verfügbar: jetzt ist es Zeit, die Produktion eng mit den Geschäftsprozessen zu verknüpfen und mit einer einheitlichen IT-Infrastruktur zu günstigen Kosten Massenproduktion mit Losgröße 1 zu realisieren.
Ab 2018 ist die chinesische Wirtschaft in eine neue Normalität des verlangsamten BIP-Wachstums eingetreten. 2019 gingen Produktion und Verkauf der Automobilindustrie weiter zurück, was den Cashflow vieler Unternehmen verschlechterte. Die chinesische Wirtschaft in einigen Sektoren hat sich zu einem gesättigten Markt mit brutaler Wettbewerbssituation gewandelt. Die Marktstellung von Angebot und Nachfrage wurde vollständig umgestellt. Dies hat zu einer weiteren Verschlechterung des Cashflows von Expansionsunternehmen mit hoher Investition geführt. Die Stagnation der Branche während der Epidemie führte zu starken Verknappung des Cashflows dieser Unternehmen. Selbst wenn der Markt sich in Zukunft erholen wird, verlieren diese Unternehmen dauerhaft ihre Marktstellung.
Daher ist nach Corona-Krise Geschäftsmodele mit wenig „Assets“ für die Unternehmen erfolgsversprechend. Sollte ausländische Firmen dennoch in Zukunft investieren, um in China erfolgreich zu sein, Kooperationen mit großen „Marktplayern“ werden empfohlen. Bei den neuen Investitionen müsste man unbedingt auf ausreichende Marktentwicklungspotentiale und schnellen Kapitalumschlag geachtet werden.
Als Optimist glaube ich, dass die Corona Krise uns drei Dinge verdeutlicht, die vor allem auch strategische Bedeutung für jedes international agierende Unternehmen haben werden: Erstens, kennt heute jeder die Millionenstadt Wuhan und weiß damit, dass China nicht nur aus Beijing und Shanghai besteht. Wenn man etwa die Greater Bay Area mit Ihren facettenreichen Millionenstädten – Asiens „Silicon Valley“ – nicht auf dem Radar hat, verpasst man mit Sicherheit einige der bedeutendsten, zukünftigen Consumer-, Urbanisation-, und Industrie-Trends. Zweitens muss aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona Krise jedem noch so Europa- oder Deutschland-fokussierten Unternehmer bewusst sein, dass ein Geschäftsmodell, das keine China-Strategie beinhaltet weder verantwortungsvoll noch nachhaltig sein wird. Drittens hat uns die Corona-Krise gezeigt, dass Menschen dank unserer modernen, digitalen Möglichkeiten Krankheiten und Grenzen überwinden können. Ich erwarte deshalb, dass viele Unternehmen mit Bezug auf China die Bedeutung und Potenziale der Social Media Plattform WeChat wesentlich besser einschätzen können und ihre Aktivitäten in dieser Hinsicht deutlich ausbauen werden.
Es ist wichtig, dass wir jetzt mit der Planung unserer Post-Covid-19-Strategie beginnen.
Am 1. April 2020 gab der CEO von Zoom einen offenen Brief heraus. Es hieß: „Ende Dezember letzten Jahres [2019] betrug die maximale Anzahl der kostenlosen und kostenpflichtigen Besprechungsteilnehmer, die täglich mit Zoom durchgeführt wurden, ungefähr 10 Millionen. Im März dieses Jahres [2020] haben wir mehr als 200 Millionen tägliche Meeting-Teilnehmer erreicht “(Eric S. Yuan, Gründer und CEO, Zoom, 1. April 2020)
Dies ist eine unglaubliche Steigerung. Da zu diesem Zeitpunkt immer mehr Menschen Kameras und Mikrofone verwenden, um im Geschäft zu kommunizieren, und sich mit Fernarbeit vertraut machen. Die Störung durch Kinder, Partner und Haustiere wird akzeptiert. Aber in Zukunft, wenn die neue Normalität eingeführt wird, diejenigen, die einen besseren Standard für Video und Audio von zu Hause aus produzieren, werden davon profitieren.
Ich schlage vor, jetzt schon über bessere Video- und Audioqualität für Ihre Ferngespräche nachzudenken und damit das Home-Office zu professionalisieren.
Nach dem SARS- Virus, den Zeiten starker Luftverschmutzungen sowie die fortlaufende Sperrung von in westlichen Hemisphäre populären Apps (Whatsapp; GoogleMaps) und Internetseiten (Facebook, Google, Spiegel Online) in China ist mit der aktuellen Pandemie für nicht wenige ausländische Führungskräfte, die mit Familie in China leben „die Spitze des Eisberges“ mittlerweile erreicht. Sie haben sich entschlossen bzw. planen, nun China endgültig den Rücken zu kehren.
Die Abwanderung einer bewährten (ausländischen) Führungskraft, z.B. eines Geschäftsführers, stellt gerade für KMUs mit eingeschränkten personellen Ressourcen vor die Herausforderung, die entstandene Lücke wieder adäquat zu schließen, und negative Folgen für das operative Geschäft zu vermeiden.
Unter diesen Umständen drängt sich die Option auf, diese bisher (möglicherweise bewusst) von einem Ausländer besetzte Führungsrolle an einen lokalen Mitarbeiter zu übertragen. Für das Unternehmen bedeutet das, die strategische Personalpolitik entsprechend danach verstärkt auszurichten. U.a. muss bereits bei der Personalauswahl nicht nur auf die Erfahrung eines Kandidaten geachtet werden sondern vor allem das Potential richtig eingeschätzt und zielgerichtet weiterentwickelt werden.